Bunt und lecker

Alexandra Demuth übernimmt in vierter Generation und als erste Frau die Geschäftsführung der traditionsreichen Katlenburger Kellerei. Die 38-Jährige hat sich gegen das Agenturleben in Hamburg oder New York und für mutige Ideen in der Provinz entschieden. Auch weil die Familie sie überzeugte. Heute beflügelt sogar ihre sechsjährige Tochter das Unternehmen mit eigenen Rezepten. 

ZUR PERSON
Alexandra Demuth wurde am 2. Februar 1986 in Kassel geboren und lebt dort heute mit ihrer Tochter. Nach dem Abschluss an der freien Waldorfschule in Kassel und dem Studium in Paderborn bereiste sie die Welt. Stationen in London, Ecuador, New York und Buenos
Aires führten sie über Hamburg zurück nach Katlenburg. Seit Anfang 2024 trägt sie Verantwortung in vierter
Generation und als erste Frau in 100 Jahren für die
Katlenburger Kellerei. 

ZUM UNTERNEHMEN
Die Katlenburger Kellerei GmbH & Co. KG ist ein seit der Gründung im Jahr 1925 familiengeführtes Unternehmen mit Sitz in Katlenburg am Harz. Willy Demuth gründete ursprünglich einen Fruchtsaftbetrieb, der die Früchte von den familieneigenen Obstplantagen verwertete. Mitte der 1960er-Jahre übernahm Günter Demuth das Unternehmen und vergrößerte die Abfüllkapazitäten. Es wurden leichtere Weine mit weniger Alkohol­gehalt produziert. Mit der Modernisierung der Produk­tion begann der Betrieb mit der Abfüllung von Cocktails aus eigenen Fruchtweinen.  Seit 2021 ist neben Klaus Demuth auch die Urenkelin des Gründers, Alexandra Demuth, als erste weibliche Geschäftsführerin im Unternehmen tätig. Seit 2024 führt sie das Unternehmen allein. Mit Stand 2024 beschäftigt das Unternehmen rund 110 Mitarbeitende und setzt im Jahr 30 Millionen Euro um.

Auf dem Hof der Katlenburger Kellerei tanzen Gabelstapler um Lastwagen – laden, schieben, tragen. Flaschen klirren, rote, gelbe, grüne Flüssigkeiten fließen in langhalsige Glasflaschen. Alexandra Demuth, im weißen Kittel und mit Haarnetz, schaut ihnen konzentriert und gleichzeitig etwas verträumt hinterher. Seit Anfang des Jahres ist die 38-Jährige alleinige Geschäftsführerin der Katlen­burger Kellerei. Das ­Unternehmen aus dem Rhumetal ist für fruchtweinbasierte Schaum-, Honig- und Perlweine, Bowlen, Cocktails in Flaschen und ausgefallene Mischgetränke bekannt. Seit 2018 arbeitet die Marketingspezialistin als ,Head of Marketing‘ im Unternehmen – und im kommenden Jahr feiert die ­Kellerei ihren 100. Geburtstag, Alexandra Demuth steht in vierter Generation und erste Frau in der alleinigen Verantwortung. Auch deshalb klingt das Klirren und Füllen der Flaschen für ihr Unternehmerinnenherz wie Musik. „Vor allem aber ist es laut“, sagt sie – und lacht.

Bisher führte sie das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Onkel Klaus Demuth und leitete die Marketingabteilung. Dort hinterließ sie Spuren und setzte einen Veränderungsprozess in Gang, der den Fruchtwein zu einer bunten Marke erhob und junge Zielgruppen ansprechen soll. „Wir wollen dabei unsere Geschichte nicht vergessen“, sagt die 38-Jährige, „vor allem aber auch für Innovation stehen. Und das verbinden wir jetzt.“ Dabei basiert der Erfolg der Katlenburger schon immer auf neuen Ideen und Innovationen. Aus einem ungeplant vergorenen Fass Apfelsaft entstand der erste Katlenburger Apfel-Schaumwein. Da das auch mit Erdbeeren funktionierte, produzierte das Unternehmen jahrzehntelang Erdbeer-Sekt. Die Kellerei war die erste, die Bowlen, Fruchtweine und Cocktails in Flaschen abfüllten. Heute bedeutet Innovation vor allem Auffallen: Cocktails nach Rezepturen einer Künstlichen Intelligenz, mutige Mischungen für jeden Lebensstil und eine Markendarstellung in sozialen Medien. ,Start-up since 1925‘, quasi.

Dabei hatte Alexandra Demuth eigentlich gar nicht vor, jemals das Familienunternehmen zu leiten oder dort Verantwortung zu übernehmen. „Es war anfangs nicht Teil meiner Planung, operativ ins Unternehmen einzusteigen“, sagt sie offen. Ihr Herz schlug für Marken und Marketing, sie lernte von den mutigsten und kreativsten Köpfen in Agenturen in Hamburg und New York. Das Image des Familienunternehmens wirkte auf sie von außen kaum zeitgemäß. Doch genau darin erkannte sie auch eine Chance, sich zu verwirklichen und das Markenbild des Familienunternehmens auf neue Beine zu stellen. „Als ich das verstanden habe, kam auch die Leidenschaft“, sagt Alexandra Demuth.

Sie fühlt sich mit ihrem Namen verpflichtet. Und es fühle sich „gut an“, wenn das Unternehmen weiterhin von der Familie geführt wird. Dabei blickt sie auf die Produkte und ihre Präsentation – und holt sinnbildlich den Besen und einen großen Farbeimer heraus. „Einige Mitarbeiter wunderten sich, dass wir plötzlich ganz anders nach außen kommunizieren“, erzählt Alexandra Demuth. Das sorgte vereinzelt für Verunsicherung, setzte aber auch Energie frei. „Wir setzen auf unsere Einzigartigkeit. Davon war ich von Anfang an überzeugt.“ Gegenwind ob der jungen Frau mit frischen Ideen und dem Familiennamen spürt sie zu keinem Zeitpunkt. Auch weil sie auf flache Hierarchien und klare Kommunika­tion setzt und Verantwortung dort gedeihen lässt, wo sie entsteht. Sie fordert aktive Verantwortung ein und schafft so auch Raum für Kreativität an jedem Arbeitsplatz. „Die Mitarbeitenden sind die Experten. Darauf vertraue ich.“

Das Ergebnis, das täglich die Lager und ­Hallen in Katlenburg verlässt und vom Großlager in Nörten-­Hardenberg aus in ganz Deutschland und der Welt verteilt wird, ist vor allem ein emotionales Produkt. Ein Genussmittel. Ein Lebensbegleiter. „Wir schaffen ein wertiges Konsumerlebnis“, erklärt Alexandra Demuth den Wert ihrer Produkte. Zu finden sind die Fruchtweine und Kreationen mittlerweile nicht nur im Getränkefachhandel, sondern bunt und groß in den Regalen der Supermärkte. Im Fokus stehen dabei nicht mehr nur der Alkoholkonsum oder die Abendveranstaltung. ­Katlenburger produziert Szenegetränke für eine konsumbewusste Generation. Schmecken soll es. „Wir leben immer in der Zukunft“, sagt Demuth und beschreibt damit den Kreativprozess. Logos und Etiketten werden überarbeitet, neue Produkte geschaffen, alte aus den Regalen genommen. Statt Flyer zu bedrucken, werden Influencer mit ins Boot geholt. Ein von Künstlicher Intelligenz geplanter Cocktail schafft es prominent auf einige Titelseiten. Kooperationen mit bekannten Marken machen das Unternehmen aus dem kleinen Ort mit rund 2.000 Einwohnern bekannt. 

Der Einfluss wirkt. Der staubige Charme der Barkultur der 1970er-Jahre weicht einem bunten, jungen und alltagsnahen Aussehen. Nicht aber ohne die Tradi­tion zu ignorieren. Die Herkunft. Das Grundgerüst. „Unser Anspruch ist es, Tradition und Trend miteinander zu verbinden“, sagt Demuth. Und die Familie. Alle ehe­lichen Nachfolger des Gründers Willy Demuth sind berechtigt, auch Gesellschafter zu werden. „Wir sind 14 Gesellschafter“, erklärt Demuth. Ein Beirat unter ­Familienvorsitz hat immer einen Blick auf Zahlen, Daten und Fakten. Ganz in der Tradition der Familie mischt auch die jüngste Tochter von Alexandra Demuth, sechs Jahre alt, schon im Unternehmen mit. Im Büro des Produktionsleiters hängt ein Bild, das die Tochter gemalt hat – mit einem eigenen Rezeptvorschlag. Doch das letzte Wort und die Verantwortung liegt am Ende dann doch bei ihrer Mutter. Ein weiterer Familienbeirat kümmert sich um die privaten Angelegenheiten. Bei Familienfeiern sind beim Genuss die Fruchtweine Thema Nummer eins. An der langen Tafel werden die neuesten Produkte ge­testet, probiert und kritisiert. Auch Klaus Demuth sei nach wie vor ansprechbar, wenngleich er sich inzwischen aus Katlenburg zurückgezogen hat und Verantwortung beim Northeimer Schwesterunternehmen ,Dr. Demuth Lackfarben‘ übernimmt. Den gemeinsamen Übergang und die Neuausrichtung der Marken hat er noch be­gleitet.

Notwendig waren diese Veränderungen nicht nur, um den Fruchtweinmachern eine neue Richtung zu geben. Die Übergabe der Verantwortung an die nächste Generation geschah auch zu einem Zeitpunkt, als die ganze Welt, wie Alexandra Demuth es sagt, lieber in der Zukunft leben würde. Pandemie, Krieg in der Ukraine, Konflikte rund um die Welt. Die Effekte kamen auch in Katlenburg an. Im Falle der Pandemie aber überraschend positiv für die Unternehmensbilanz. Denn Corona war zumindest für den Einzelhandel kein Problem, und der ist das Kerngeschäft der selbst ernannten ,Fruchtweinmacher‘. Die Umsätze stiegen, auch weil die Menschen das Genießen nach Hause verlagerten. 

Die großen Herausforderungen folgten erst im Anschluss. Die weltlichen Konflikte ließen die Rohstoffpreise steigen. Zwar steigt der Umsatz in Katlenburg, doch auch die Flaschenpreise und die Kosten für die Zutaten. Damit das die Kunden kaum spüren, braucht es unternehmerisches Geschick und Selbst­bewusstsein. „Wir wachsen“, sagt Alexandra Demuth. Denn der Wandel in der Außendarstellung und das moderne Portfolio hat auch einen positiven Einfluss auf die Wahrnehmung des Unternehmens auf junge Fachkräfte und angehende Auszubildende. „Wir bekommen viele Initiativbewerbungen. Vor allem, weil die jungen Menschen im Internet sehen, wer wir sind und was wir machen.“ Viele Bewerbungen kommen aus der Region, Mitarbeiter empfehlen den Arbeitgeber weiter.

Alexandra Demuths Lebensmittelpunkt ist mit ihrem Kind in Kassel, wo sie auch aufgewachsen ist. Zweimal in der Woche arbeitet sie im Homeoffice.  Viel Freizeit bleibt da nicht. Spaziergänge mit der Familie sind die Ausnahme. „Ich finde es trotzdem wichtig, dass man sich regelmäßig Zeit für sich selbst nimmt“, sagt Demuth.

Der volle Fokus liegt auf der Zukunft. Diese ist ähnlich wie bei anderen Getränkeherstellern durchaus auch alkoholfrei. „Ich finde es falsch zu sagen, es wird immer Alkohol geben“, sagt Alexandra Demuth. Die Nachfrage vor allem bei jungen Menschen nach hochprozentigen Getränken lasse nach. Im Sortiment der Katlenburger Kellerei finden sich inzwischen viele Produkte mit wenig oder ganz ohne Alkohol. „Wir verkaufen vor allem ein Lebensgefühl.“ Dabei kooperiert die Kellerei inzwischen auch mit anderen bekannten Marken wie Valensina oder Almdudler, füllen für diese und andere Marken die Flaschen ab und kümmern sich um die Logistik. Inzwischen machen alle mit. Verlust gab es keinen. „Am Ende sind wir alle überzeugt von unserem Weg“, sagt Alexandra Demuth. ƒ

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